Do 1. Dez 2011, 16:01
Nachfolgend mal die überarbeitete Version der Kurzgeschichte, die eigentlich mal als Prolog zu etwas größerem dienen sollte.
Viel Spaß... Feedback ist gern gesehen.
Runes of Magic
Orden der Seelentrinker
„Der goldene Kelch“
Prolog
Geräuschlos und mit durchgeschnittener Kehle glitt der Mann tod auf den harten, kalten Steinboden des dunklen Gemäuers. Noch immer lag ein Blick des Entsetzens auf seinem jungen Gesicht, denn der Tod kam viel zu schnell und unerwartet über ihn. Nicht einmal mehr die Alarmglocke hatte er auslösen können. Das stilisierte Auge auf dem silbrigen Brustpanzer, welches den toten Mann als eine Wache vom Auge der Weisheit kennzeichnete, wurde vom Blut des Trägers rot gefärbt. Die Mörderin trat hinter den Toten aus einer dunklen Nische hervor und säuberte bereits die geschwärzte Klinge ihres beschmutzten Dolches. Sie wog ihn noch einmal in der rechten Hand und spürte die Ausgeglichenheit zwischen Griff und Schneide, bevor sie den Dolch endgültig wieder verschwinden lies. Verhüllt durch einen schwarzgrauen Lederharnisch und einem eben so dunklen Gesichtsschutz, konnte man nur die grünen Augen der Mörderin erkennen, die entschlossen auf die tote Wache blickten. Die Gestalt kniete sich nieder und durchsuchte akribisch die Leiche, bis ihre behandschuhten Hände endlich einen Gegenstand fanden, den sie gesucht hatte. Die Mörderin zog einen einfach vergoldeten Schlüssel hervor, dessen Veredelung bereits abblätterte und Rost ansetzte. Sofort stand sie auf und wendete sich einer verschlossenen Holztür zu. Der Schlüssel passte, wenn auch etwas schwergängig, in das alte Schloss. Die Mörderin erhob die Linke und ballte eine Faust. Allein dieses Handzeichen genügte und zwei weitere, ähnlich gekleidete Gestalten traten aus der Dunkelheit des Gewölbes. Die enganliegenden Lederrüstungen, welche die Muskeln der zwei betonten, ließen keinen Zweifel daran, dass es sich im Gegensatz zur Anführerin um männliche Gefährten handelte.
Die alte Tür schwang auf, gefolgt von einem leisen Quietschen der Eisenscharniere. Lautlos und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern huschten die Drei durch die Öffnung. Sie befanden sich nun in einem grob gemauerten Gang, der sich einer Spirale ähnelnd, hinunter in den Erdboden schwang. Die Wände waren schlecht bearbeitet und wiesen bereits unzählige Risse auf. Es roch muffig, erdig, wie in einem alten Stollen. In diesen Gängen erhellten nur wenige Fackeln das Gemäuer. Während die Eindringlinge den Weg nach unten liefen, nahmen sie mehrere Eisentüren wahr, die vom Hauptgang anscheinend in verschiedene Nebenräume führten. Sie rannten unbeirrt weiter den Hauptgang entlang. Plötzlich stießen sie um die letzte Biegung und sahen wie sich der Weg stark verbreiterte und in einem vier Meter hohen Tor endete. Die stählernen Beschläge liefen strahlenförmig von innen nach außen, wobei in der Mitte ein goldenes Auge als überdimensionaler Verschluss diente. Die Eindringlinge waren nicht allein, denn zwei Wachen hatten sie bereits bemerkt. Doch noch bevor eine der Wachen ihr Horn zu einem Alarmsignal ansetzen konnte, schnellte bereits ein dunkles Wurfmesser von einem der schwarz gekleideten Männer hervor, zerschmetterte das Horn und drang in das dahinterliegende Auge des wachhabenden Mannes ein. Für einen Sekundenbruchteil stand die nun tote Wache noch regungslos da, bis die Beine nachgaben und er endgültig nach vorn überkippte. Überrascht über die Schnelligkeit der Eindringlinge zögerte die zweite Wache, welches sofort mit dem Tod bestraft wurde, als ein weiteres Wurfmesser seitlich durch den geöffneten Mund eindrang und Luft- und Speiseröhre durchschnitt. Mit einem Röcheln hauchte der Mann sein Leben aus. Blutlachen verteilten sich über den kalten Steinboden und verbanden sich mit Schmutz und Staub zu einer schlierigen Masse. Blitzschnell hatten die drei ihre Waffen wieder gereinigt und verstaut.
Die Anführerin hielt vor dem Tor inne um dieses besser betrachten zu können. Erst jetzt nahm sie einen Schimmer am Eingang wahr. Das Tor war durch einen Schutzzauber verschlossen. Die Gestalt krempelte den Gesichtsschutz bis zur Nase nach oben, wodurch ein ebenmäßiger Mund mit roten, schmalen Lippen umrahmt von heller, fast weißer Haut, zum Vorschein kam. Die Anführerin flüsterte mit der Eleganz eines Dichters einen Vers in einer alten Sprache und zog, nachdem sie den Spruch beendet hatte, ihren Mundschutz sofort wieder nach unten. Wie von Geisterhand setzten sich Zahnräder und Hebel in Bewegung. Ein Knacken bestätigte, dass sich das Tor öffnete. Noch in Gedanken erinnerte sich die Anführerin daran, dass der Informant sie mit den richtigen Informationen versorgt hatte. Sie bedauerte es fast, ihn nicht am Leben gelassen zu haben. Niemand schien sich weiter um die Eindringlinge zu kümmern und so betraten sie zu dritt den dunklen Raum. Die Ausmaße waren so gewaltig, dass selbst die Ratshalle der Stadt Varanas winzig dagegen wirkte. In der Mitte erstreckte sich ein langer, breiter Gang dessen Ende im Halbdunkel kaum zu sehen war, links und rechts davon Regale, fast dreimal so groß wie ein normaler Mensch. Abertausende Bücher, Aufzeichnungen und Schriftrollen waren dort abgelegt und meistens durch eine zentimeterhohe Schicht aus Staub bedeckt. Vor jedem Regal stand eine ebenso große Leiter auf Rollen, die es ermöglichte schnell an die oberen Fächer zu gelangen. Magisch schimmernde Steine in goldenen Halterungen erhellten den Hauptgang und beleuchteten gleichzeitig jeweils eine weiße Tafel pro Regal mit einer eigenen Nummernfolge. Selbst die Eindringlinge waren erstaunt über die Größe des Archives, hatten Sie doch bisher in kleineren Bibliotheken ihr Wissen erworben. Die Anführerin schritt mit ihren zwei Begleitern die Regale ab, auf der Suche nach einer bestimmten Nummernfolge. Dutzende Aufzeichnungen über Kriege, Errungenschaften und Runennutzung passierten sie. Die Monatelange Vorbereitung galt nur einem Ziel und sie schienen ihm näher zu kommen, denn die erste Zahl der Nummernfolge wechselte von II. zu III. Hier lagen nun Bücher und Schriftrollen aller bekannten Gilden, Gruppierungen und Kartelle die es je gegeben hatte. Und da war sie: die Zahlenfolge III.2.47.A. Die Anführerin winkte ihre zwei Begleiter herbei. Hunderte purpurfarbene Bücher standen sortiert in dem entsprechenden Regal. Die weibliche Gestalt nahm ein Buch heraus und blätterte durch die vergilbten Seiten. Die Schrift war kaum noch lesbar, nur ein goldenes Kelchsymbol war deutlich zu erkennen, sowie der Titel "Kampfdoktrin". Sie verzog das Gesicht als der Kelch trotz der Dunkelheit leicht schimmerte. Angeekelt warf sie es achtlos auf den harten Steinboden, wobei es an einigen Stellen einriss und ein paar Seiten herausfielen. Die Anführerin nickte den beiden Begleitern zu, worauf sie sofort ihre schwarzen Handschuhe auszogen. Waren die Hände der Anführerin ebenso zart und jung wie ihr Gesicht, so waren die Hände der zwei Helfer dagegen grob und wettergegerbt. Doch alle drei hatten auf der Handinnenfläche, eingeritzt in die Haut, einen Stern aus acht in unterschiedliche Richtungen zeigenden Pfeilen. Gestikulierend formten sie mit ihren Händen komplizierte Symbole in die Luft und konzentrierten sich, bis sich ein kleiner Funken in der Handfläche bildete und kurze Zeit später zu einem Feuerball heran schwoll. Ihre Hände schossen nach vorn, in Richtung der Regale zeigend und augenblicklich fingen die purpurfarbenen Bücher und Aufzeichnungen Feuer. Zusätzlich wirkten das trockene Holz und das alte Pergament wie ein Brandbeschleuniger. Auch das Buch auf dem Boden ging in Flammen auf, doch ein letztes mal, wie ein kurzes Aufbäumen, fing der goldene Kelch an zu glänzen, bevor das Buch mit ihm endgültig verbrannte und zu Asche zerfiel. Doch das bemerkten die Eindringlinge nicht mehr, denn sie hatten bereits wieder ihre Handschuhe übergestreift und verschwanden in der Dunkelheit.